Indien 2016 – Auftakt

Tagebucheintrag 07.10.2016
2013 hat der heftige, zerstörerische Monsun Indiens unsere Pläne durchkreuzt und wir konnten nicht von Nepal nach Nordindien reisen. Jetzt, 3 Jahre später, ist es endlich soweit: Wir sitzen im Flieger nach Neu Delhi! Und wir sind mächtig gespannt, was uns am Ende dieses doch etwas wackeligen Fluges erwarten wird. In den letzten Tagen haben wir dann doch mal etwas geplant und Ideen gesammelt, für die die vier Wochen schon wieder viel zu kurz sind: Trekken, Kochkurs, Eisenbahn fahren, Yogakurs, Dschungel, Sikh-Tempel besuchen. Leider ist die Zeit zu knapp, um zur Gangesquelle zu wandern und in die Spiti-Region zu fahren. Die Entscheidung, was von beiden wir machen, schieben wir noch vor uns her…

Bereits in den ersten Tagen erleben wir viele aufregende und verrückte Momente, die uns zeigen, warum wir hierher wollten. Direkt nach unserer Ankunft am Flughafen 23 Uhr nehmen wir ein prepaid-Taxi, um zum bereits gebuchten Hotel zu fahren. Der Typ rast wie ein Irrer (alle anderen fahren weniger schnell). Da er das Hotel nicht genau kennt, drehen wir ein paar Runden durch die dunklen Gassen von Karol Bagh in denen vereinzelt Menschen liegen oder sitzen. Er fragt sich durch und die Situation ist etwas gruselig, da wir nicht wissen, ob das vielleicht ein Trick ist. Schließlich findet er das Hotel in einer Seitengasse und wir werden bereits erwartet.
Am nächsten Morgen spüren wir doch die Zeitverschiebung (3,5 Stunden) und machen unseren ersten kurzen Ausflug in der Stadt: Rund um das Hotel in Karol Bagh herrscht ein buntes, enges Treiben mit vielen Läden, Händlern, Mopeds, Rädern, Rikschas und und und … Wir wühlen uns zur Metro durch und fahren zum Connaught Place. Dort haben zwar Läden und Restaurants gerade geschlossen, aber die Bettler und Schlepper lassen trotzdem nicht von uns ab und wollen uns unbedingt zum nächsten indischen Kaufhaus bringen. Wir wollen nicht abgezockt werden und wehren uns hartnäckig. Nach unserem ersten Samosa verlassen wir den Ort etwas genervt, um am Bahnhof ein Ticket für unsere spätere Reise nach Varanasi zu kaufen. Der Bahnhof ist wie erwartet ein hektischer, unübersichtlicher Ort, den wir schnell (unverrichteter Dinge) wieder verlassen, weil wir nicht wissen an welchem der unzähligen verschiedenen Schalter wir uns anstellen sollen… Auf dem Weg zurück zur Metro begegnen wir vielen Menschen, die hier um den Bahnhof rum ihr Leben bestreiten, keine schönen Anblicke und Gerüche, aber leider keine Seltenheit hier! Mit der Metro fahren wir zu unserem Couchsurfer-Gastgeber Kamal. Das Metrosystem funktioniert sehr gut, an machen Stationen natürlich völlig überfüllt, aber trotzdem schnell und unkompliziert. Kamal bringt uns mit dem Auto zu seinem Haus in einer außerhalb gelegenen, hübschen Gegend, in der die Bewohner offensichtlich Geld haben. Er stellt uns seine Familie vor, teilt sein Haus mit uns und ist überaus bemüht, dass wir uns wohlfühlen – so viel Gastfreundschaft haben wir nicht erwartet. Seine Frau, Dimpel, begrüßt uns mit einem unverschämt leckeren Essen (Reis, Linsen, Okra-Gemüse, Pickle, Joghurt) und wir mampfen gut! Gegen Abend zeigt uns Kamal die Ausgeh-Zentren der indischen Mittelschicht. Ein großer Kontrast zu der Armut, die einem sonst in der Stadt begegnet!
Den nächsten Tag beginnen wir mit einer kleinen Meditationsrunde, bevor Kamal uns hilft, eine indische Sim-Karte zu kaufen und wir uns verabschieden müssen. Die Metro bringt uns zum Chandni Chowk, nahe der roten Festung. Gegen das was hier abgeht, war Karol Bagh praktisch menschenleer. Hier schieben sich durch die Gassen und Einkaufsstraßen Menschen und Fahrzeuge in alle Richtungen, vorbei an Bettlern, herumliegenden Hunden und Obdachlosen mit kleinen Kindern, Händlern und Gläubigen, die in und aus Tempeln strömen. Es ist unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen oder beim Laufen einen Moment zu zögern. Überall brüllt der Lärm der Menschen, Motoren, Bauarbeiten und ohrenbetäubende Musik aus den Tempeln. Dabei mischen sich abwechselnd Gerüche von Räucherstäbchen, luftverpestenden Abgasen, Obst, Kloake und Müllbergen. Es ist einfach unglaublich. Die Erfahrungen aus anderen intensiven Städten, die wir bereits bereist haben (vor allem Kathmandu und Manila) helfen uns, hier nicht durchzudrehen, sondern auf Autopilot zu schalten. Wir schieben uns die Straße entlang und erreichen schließlich schweißgebadet die rote Festung mit einer etwa 300m langen Schlange am Eingang – heute also kein Besuch der Festung. Wir spazieren ein Stück die leere Straße um die Festungsmauer herum, um uns zu erholen, bevor wir wieder in das Chaos aus jungen und alten Menschen, aus Leben und Leiden treten. Wir sind bereits 3 Stunden vor Abfahrt unseres Nachtbusses nach Manali am Busbahnhof Kashmere Gate – erstmal genug Stadt! Als wir 25 min vor Abfahrt zum Steig gehen, steht unser Bus nicht an der Tafel und die Info sagt uns beim zweiten Mal nachfragen, dass wir zu einem Abfahrtsort auf der anderen Seite des Terminals müssen. Wir fragen uns zügig dahin durch, nur Bus ist keiner hier. Hilflos fragen wir herum, bekommen aber keine genauen Antworten – Franzi schon verzweifelt. Schließlich rufen wir die Nummer auf dem Ticket an und erhalten die Info, dass der Bus heute nicht hierher kommt, schnell reichen wir das Handy an den nächsten TukTuk-Fahrer, damit er die Adresse hört. Er düst mit uns irgendwohin, quer durch die Stadt – wir lassen viele Nerven bei beinahe-Unfällen bis er an einem Büro hält und weitere Infos zum Abfahrtsort erhält – Weiter geht die wilde Fahrt im Dunkeln zwischen tausenden Taxis, TukTuks und sonstigen Vehikeln – Er bremst mehrere Reisebusse durch waghalsige Manöver aus, um nach unserem Bus zu fragen – jeder bekommt Roberts Handy mit dem Ticket unter die Nase gehalten – Das letzte Stück fährt er uns gegen die Einbahnstraße hin zu einer Tankstelle, wo schon andere Reisende warten. Tatsächlich kommt nach wenigen Minuten ein Bus, der unsere Tickets akzeptiert und wir sinken erleichtert auf unsere Plätze. Als der Busfahrer uns sein Telefon hinhält, sind wir überrascht, dass Kamal dran ist. Er hat die SMS über den geänderten Abfahrtsort erhalten und sich bis hierher durchtelefoniert, um zu hören, dass wir den Bus gefunden haben. Jetzt ist alles wieder gut und wir sind beeindruckt, wie Dinge hier funktionieren.

Neu Delhi Okt-2016 / Google Photos

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