Indien 2016 – Wolkenlos in Spiti

Am 15.10.16 früh um 5 Uhr traben wir durch die Finsternis hinunter nach Manali zum Jeep-Abfahrtsort. Nach einem Chai und längerem Warten geht’s endlich los – auf nach Spiti, einer abgelegenen, rauen Bergregion an der tibetischen Grenze. Wir sind nur 4 Passagiere in unserem Jeep und können daher die herrliche Aussicht gut genießen. In neun Stunden führt uns eine teils asphaltierte, teils im Flussbett verlaufende Piste über den Rohtang (3979m) und den Kunzum Pass (4550m) von Manali bis nach Kaza (3600m), der Hauptstadt von Spiti. Schon nach wenigen Stunden verwandeln sich die grünen Berge in eine raue, steinige Landschaft fast ohne Vegetation, aber mit schneebedeckten Gipfeln und langen Gletschern. Wir folgen dem Wasserlauf des Spiti und machen Mittag an der “Raststation” in Batal: einem urigen Dhaba (=lokales straßenseitiges Restaurant), in dem ein Ehepaar alle Reisenden mit Tee und Thali versorgt. der Gastraum gleicht einer Höhle in der alle an niedrigen Tischen sitzen und schmatzen – es schmeckt ausgezeichnet! Am Nachmittag erreichen wir Kaza und nehmen uns ein Zimmer im WinterWhite-Gästehaus. Hier oben ist es ganz schön frisch und wir bibbern heftig bei der bucket-shower (eine Duschmethode bei der man sich mit einem kleinen Gefäß das Wasser aus einem großen Eimer überschüttet) 🙂 Am nächsten Morgen versuchen wir vergeblich funktionierende Fahrräder für uns und einen französischen Mitreisenden zu finden. Wir ändern daher den Plan und lassen uns von einem Taxi nach Dankhar weiter flussabwärts bringen. Dort wandern wir vom Dorf aus hinauf zum Dhankar See, der zur Hälfte ausgetrocknet ist, aber trotzdem zusammen mit dem Manirang (6593m) im Hintergrund eine wundervolle Kulisse bildet. Wir genießen die Aussicht auf die Berge und das Dorf, was auf verblüffende Weise in eine geschützte, runde Kuhle zwischen Berg und Fluss gebaut ist. Wir steigen wieder ab und besuchen das 800 Jahre alte buddhistische Kloster, was an einer haarsträubenden Klippe errichtet wurde und leider einsturzgefährdet ist. Die Zimmer sind niedrig und die Decken aus Ästen und Lehm. Ein Mönch winkt uns fröhlich herein, er ist der einzige hier seit die anderen Mönche 2003 in das neue Kloster am Dorfeingang umgezogen sind. Oben ist das Kloster in den Berg hinein gebaut und wir betreten eine ruhige, dunkle Meditationshöhle. Am Nachmittag gehen wir in Kaza erneut auf die Suche nach Fahrrädern und diesmal wird unsere Hartnäckigkeit belohnt. Somit können wir am nächsten Vormittag in einer kleinen Gruppe – der Franzose Thomas und der Inder Anant aus Mumbai haben sich uns angeschlossen- flussaufwärts starten. Die Räder sind gewöhnungsbedürftig: Bremsen schleifen heftigst, Schaltungen funktionieren nur teilweise… Die ersten Meter aus Kaza heraus kommen tierisch anstrengend vor – auf dieser Höhe braucht der Körper immer eine Weile bis er hochfährt 🙂 Wir radeln die leicht auf und ab gehende Straße am Fluss entlang bis nach einigen Kilometern der Abzweig nach Kee kommt und die Straße steiler wird und gelegentliche Serpentinen für uns bereithält. Die Aussicht entschädigt für alle Mühen. Gegen Mittag erreichen wir Kee Gompa (4166m), das älteste und noch genutzte Kloster von Spiti. Einer der 350 hier lebenden Mönche führt uns durch das Gebäude und lädt uns auf dem Dach zum Tee ein. Wie in Dhankar gibt es auch hier ein Zimmer, in dem der Dalai Lama schläft, wenn er auf Besuch kommt. Nach ein paar Nüssen und Bananen zur Stärkung strampeln wir zusammen mit Anant weiter hinauf. Im Schneckentempo erklimmen wir Kurve für Kurve, treffen Straßenarbeiter (Familien, die Teer überm Feuer heiß machen und in die Löcher auf der Straße verteilen) und sehen das alte Seil über einer tiefen Schlucht, an dem sich die Dorfbewohner in einem kleinen Korb angeblich öfter hinüber hangeln. Dann erreichen wir Kibber (4270m), ein kleines, abgelegenes Dorf, dessen Bewohner bald schon hinunter nach Kaza ziehen werden, um dort zu überwintern. Aktuell dauern noch die sonnigen Herbstwochen mit wolkenlosem, blauen Himmel aber bitterkalten Nächten an. Von den Einheimischen wissen wir, dass der Schnee jeden Tag einsetzen kann und das Überqueren des Kunzum Pass’ dann schnell unmöglich wird. Wir hoffen, dass der Sonnenschein noch ein paar Tage anhält 🙂 Nach einem Chai in Kibber düsen wir mit laut quietschenden Bremsen die lange Abfahrt hinunter. Kurz vor 17 Uhr kommen wir k.o. aber überglücklich wieder in Kaza an. Zeit für einen leckeren Samosa-Snack! Diese würzig gefüllten, frittierten Teigtaschen sind wirklich sooo köstlich!  Motiviert durch diese wunderbare Erkundungstour nutzen wir unseren dritten Tag in Spiti, um uns einen Scooter zu leihen und einen weiteren Tag diese Gegend der Superlativen zu entdecken. Diesmal steuern wir das Bergdorf Hikkim mit dem höchsten Postamt der Welt auf 4440 m an. Wir betanken Scooty an der höchstgelegenen Tankstelle der Welt in Kaza und quälen unser Gefährt die steilen Serpentinen nach oben – Scooty pfeift aus dem letzten Loch und springt auch nicht immer gleich an. In Hikkim einem wirklich malerischen Dorf treffen wir einige Kinder, die uns gern den Weg zum Postamt zeigen und sich riesig über eine mitgebrachte Banane freuen. Wenn man hier aufwächst hat man nicht viel außer der dramatischen Landschaft. Wir manövrieren unser Moped noch ein paar Kilometer weiter dem Himmel entgegen nach Komic (4520m), dem höchsten Dorf mit Straßenzugang in Asien. Die Aussichten von hier sind einzigartig. Ein Mönch führt uns durch das Kloster des Dorfes und wir genießen einen guten Masala Chai. Dann fragen wir, ob wir nach weiter die hohe Straße entlang Richtung Demul fahren können. “By Scooty?” – skeptischer Blick – “It’s ok, good road!” Wir fahren also weiter, jetzt auf sehr holpriger Piste, auf über 4600m. Hier lebt jetzt niemand mehr außer die Blauschafe, die wir ab und zu entdecken. In der Hoffnung, dass Scooty jetzt nicht den Geist aufgibt holpern wir langsam weiter im Sonnenschein umringt von diesem wundervollen Gebirge. Nach 2 Stunden kommen wir an eine asphaltierte Straße, der wir auch gleich noch ein Stück bergauf zu einem Pass mit guten Aussichtspunkt folgen. Oben angekommen finden wir uns auf einmal mitten in einer buddhistischen Feier wieder. Es wird gesungen, musiziert und getanzt. Der alte “Head Lama”, eine Art Priester der Region, tanzt mit ca. 50 teils traditionell gekleideten Menschen im Kreis. Sein Outfit und seine Frisur (ein mit Klebeband fixierter Dread) machen die skurrile Situation mitten in der Einöde perfekt – ein überraschender Höhepunkt eines überwältigenden Ausfluges! Etwas abgefroren düsen wir dann die Gebirgsstraße hinunter und zurück nach Kaza, da es allmählich duster wird.

Am 20.10.16 verlassen wir Spiti leider schon wieder. Drei wunderschöne Tage liegen hinter uns und wir sind etwas wehleidig, diese schöne tibetische Ruhe wieder gegen den indischen Trubel zu tauschen. Wir fahren wieder im Sammeljeep zurück, leider ist dieser diesmal voll. Das bedeutet wir sind 10 Passagiere plus Fahrer. Ausgelegt ist der Jeep wahrscheinlich für 7 oder 8. Während wir uns zu viert auf die Mittelbank quetschen und jeder mal abwechselnd eine Schulter anlehnen darf, ist es auf der schmaleren Rückbank noch kritischer – “You’re sitting on me” hören wir es von hinten ächzen. Naja, es sind ja nur 9 Stunden 😉 Da auch auf dem Dach das Gepäck meterhoch gestapelt ist, kommen wir nicht allzu schnell voran. wir harren aus und erholen uns in Manali eine Weile im hübschen Garten des Chandra Guesthouse, bevor wir uns im Dunkeln auf die Suche nach dem Nachtbus Richtung Dharamsala machen…
Hier geht’s zu den Bildern dieser magischen Landschaft:

Spiti Okt-2016 / Google Photos

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